Die PISA-Puzzle: Wie wir die Bildungsteile neu zusammensetzen können

Die jüngsten PISA-Ergebnisse zeigen deutlich: Deutschland steht bildungspolitisch an einem Scheideweg. Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass fast ein Drittel der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler in Deutschland grundlegende Fähigkeiten in Mathematik und Lesekompetenz vermissen lässt. Diese Erkenntnisse sind nicht nur besorgniserregend, sondern auch ein dringender Appell, unser Bildungssystem grundlegend zu überdenken und zu reformieren. Ein Gedanke, den jeder schon geäußert hat, aber keiner traut sich an das große Puzzle.

In Thüringen, wie auch im Rest Deutschlands, bedarf es einer konzertierten Anstrengung aller Beteiligten, um diese Herausforderungen anzugehen.

  1. Ein entscheidender Aspekt, den die PISA-Ergebnisse beleuchten, ist die Rolle der sozioökonomischen Herkunft. Es ist unumgänglich, dass unser Bildungssystem so gestaltet wird, dass es Chancengerechtigkeit (!) und ein echtes Aufstiegsversprechen für alle Schülerinnen und Schüler bietet, unabhängig von ihrer sozialen und ökonomischen Herkunft. Das bedeutet, dass nicht jeder Schüler das staatlich finanzierte iPad braucht, sondern der Schüler, bei dem sich die Familie das Tablet eben nicht leisten kann. Die Diskrepanz in Bildungschancen, die sich entlang sozioökonomischer Linien abzeichnet, ist nicht nur eine Frage der Bildungsgerechtigkeit, sondern auch eine der sozialen Gerechtigkeit. Jedes Kind verdient die gleiche Chance, sein volles Potenzial zu entfalten, und es ist unsere Verantwortung, die Bedingungen dafür zu schaffen. Und das bedeutet eben, dass jeder Schüler die individuelle Unterstützung bekommt, die er braucht – den Einzelnen sehen, das macht uns als CDU aus. Dies erfordert gezielte Investitionen und Programme, die auf sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler abgestimmt sind und ihnen die Unterstützung bieten, die sie benötigen, um erfolgreich zu sein. Das Versprechen eines sozialen Aufstiegs durch Bildung muss in Deutschland und insbesondere in Thüringen eine realistische und erreichbare Vision für alle sein und ist gleichzeitig einer der großen Schlüssel einer gelungenen Integrationspolitik.
  2. Zur gemeinsamen Anstrengung gehören auch innovative Ansätze und gezielte Investitionen in die frühkindliche Bildung, wie sie beispielsweise in Hamburg erfolgreich implementiert wurden. Andere Länder zeigen uns: Wo früh in Bildung investiert wird, wo die vorschulische Bildung besonders gut gelingt, dort zeichnen sich auch in den höheren Altersklassen Erfolge ab. Wer früh den Grundstein legt, hat schließlich Erfolg. Sprachstandserhebungen und gezielte Fördermaßnahmen bereits im Vorschulalter können entscheidend dazu beitragen, Bildungsdefizite frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Das gilt in Deutschland – und besonders auch in Thüringen – auch und vor allem für die Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen. Das Lernen beginnt vor der Schule, das müssen wir begreifen!
  3. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Entlastung der Lehrkräfte von bürokratischen Aufgaben, um mehr Zeit für qualitativ hochwertigen Unterricht zu schaffen. Zudem ist es unerlässlich, die Lehrerausbildung inhaltlich zu stärken und auf die aktuellen Herausforderungen auszurichten. Als jemand, der sich selbst einmal am Lehramtsstudium versucht hat, kann ich bestätigen, dass die Lehrerausbildung häufig fachlich intensiv und selten praxisorientiert ist. Wenn man nicht im Jenaer Modell studiert, entsteht der Schülerkontakt für angehende Lehrer erst sehr spät – allein dabei verliert man die Kräfte von morgen. In Thüringen hat sich das auch in den letzten Jahren gezeigt: Immer weniger nehmen das Lehramtsstudium auf. Die Schülerzahl ist seitdem die Ramelow-Regierung die Bildungspolitik verantwortet um 14.000 Schüler angewachsen. Gleichzeitig stehen diesem Mehr von Schülern 780 Lehrer weniger gegenüber. Zulagen, Anreize und weiche Faktoren sind Maßnahmen, die die CDU bereits vorgeschlagen und durchgesetzt hat, um mehr Lehrer zu gewinnen, doch der wichtigste Faktor liegt in Thüringen bei der Einstellung! Der Freistaat hinkt hinterher, wenn es um das Einstellen von Referendaren und neuen Lehrern geht. Ein halbes Jahr zu warten, ehe man nach dem Examen an eine Schule gehen kann, ist der Regelfall – das darf nicht sein. Die Bräsigkeit müssen wir aufgeben.
  4. Im Unterrichten wird es immer wichtiger, die Basiskompetenzen zu stärken. In Thüringen und darüber hinaus muss mehr Unterrichtszeit und -ressourcen für das Erlernen und Üben grundlegender Fähigkeiten wie Lesen und Mathematik bereitgestellt werden. Dabei ist es auch wichtig, spezielle sprachliche und integrative Unterstützung für Schülerinnen und Schüler aus zugewanderten Familien anzubieten. Die Integration dieser Schülerinnen und Schüler ist ein wichtiger Aspekt, um Bildungsdefizite frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Um dies erfolgreich umsetzen zu können, bedarf es einer gezielten Förderung und Unterstützung durch qualifizierte Lehrkräfte sowie einer guten Zusammenarbeit mit Eltern und anderen Bildungsinstitutionen. So können wir sicherstellen, dass alle Schülerinnen und Schüler die gleichen Chancen haben, ihre Potenziale zu entfalten und erfolgreich am Bildungssystem teilzunehmen.
  5. Die klassische Floskel „Schule vom Schüler her denken“ zeigt sich in den PISA-Ergebnissen eindrücklich. Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich (auch durch Corona verstärkt) einsam. Sie sind unaufmerksam. Jeder fünfte Schüler ist nicht zufrieden mit seinem Leben, mehr als jeder Fünfte ist mindestens einmal im Monat ein Opfer von Mobbing – damit liegen wir über dem PISA-Schnitt. Für mich sind das alarmierende Zahlen. Wenn der Schüler im Umfeld nicht lernen kann, sich nicht wohl fühlt und keine Konzentration aufweisen kann, wie soll ihm dann das Erlernen von Unterrichtsstoff leichtfallen? Es braucht eine bundesweite Strategie zur Förderung der Schülergesundheit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber Themen wie mentaler Gesundheit, da diese die Schülerinnen und Schüler beschäftigen.

Die Thüringer Landeselternvertretung hat bereits wichtige Forderungen gestellt, wie zum Beispiel mehr Personal an Schulen, individuelle Unterstützung beim Übergang vom Kindergarten zur Schule und innovative Lernkonzepte. Diese Forderungen sollten als Grundlage für eine umfassende Reform des Bildungssystems in Thüringen und ganz Deutschland dienen.

Die Ergebnisse der PISA-Studie sollten für uns nicht nur Anlass zur Besorgnis sein, sondern auch eine Motivation, aktiv zu werden und die Zukunft unserer Kinder zu sichern. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem alle Schülerinnen und Schüler ihr volles Potenzial entfalten können – unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund oder ihrer Herkunft. Das sollte immer unser Ansporn sein und PISA verstärkt nur diese Notwendigkeit.